Auf einem Markt kauften wir ein halbes Kilo Bulgur und Linsen, sodass wir die nächsten Tage nicht ständig an Essen kochen denken mussten.
Die erste Nacht schliefen wir in einer für Kappadokien typischen Höhle, die Aussicht auf das ganze Tal hatte.
Und, was noch viel wichtiger war, sie hatte ein Obergeschoss, das nur mit einer Leiter, die in den Stein gehauen war, zu erreichen war. Wir wurden schon den ganzen Tag von Straßenhunden begleitet, die uns am liebsten bis zu unserem Schlafplatz gefolgt wären, wenn sie gekonnt hätten. So warteten sie die ganze Nacht im Erdgeschoss auf uns, in der Hoffnung, dass sie doch irgendwann etwas von unserem Essen abbekamen.
Für die nächste Nacht wollten wir ein verlassenes Haus suchen, in dem wir unser Lager aufschlagen konnten, da die Gegend stark besiedelt und ohne großen Sichtschutz, wie zum Beispiel Bäumen, war. Nach einigem Suchen fanden wir dann auch ein verschlossenes Haus mit einem großen, abgelassenen Pool davor, welcher zur Hälfte überdacht war. Eigentlich perfekt, da es am Abend auch ein bisschen zu Nieseln angefangen hatte. Als es dunkel war kam dann aber ein Pickup und der Mann der ausstieg war nicht so begeistert, dass wir dort schlafen wollten, da es sein Haus war. Er wohnt dort zwar nicht, aber er hat unsere Lichter dort gesehen. Als wir erklärten, was wir machen und wir ihm auf skeptische Nachfragen unsere deutschen Pässe gezeigt hatten, war er plötzlich viel freundlicher. Seine Befürchtung war, dass wir Halunken wären, die dort etwas stehlen wollten.
Als er sich sicher war, dass wir nichts Böses wollten, lud er uns ein, in seiner Firma zu schlafen. Es hatte einen riesigen Steinbruch, in dem viele Gastarbeiter, zum Teil aus Syrien und Irak, die kein eigenes Zuhause hatten, oder Türken, die zu weit weg wohnten, arbeiteten. Für diese Arbeiter hatte er mehrere Baracken, damit die Arbeiter dort direkt auf dem Gelände im Mehrbettzimmern schlafen konnten. Es waren noch ein paar Betten frei und zwei davon bekamen wir. Als wir dann eingezogen waren, stellten wir fest, dass es auch noch eine warme Mahlzeit für alle gab. Der Koch kochte sogar extra für uns ein zusätzliches Abendessen und am nächsten Morgen frühstückten wir mit den Arbeitern zusammen und fuhren weiter.
Schon in der Früh regnete es und bei 5°C ist das nicht wirklich angenehm. Trotzdem fuhren wir ein paar Kilometer bergauf bis in ein Bergdorf, wo wir uns in einem Chai-Evi, einem Laden für Chai, an einem Ofen aufwärmen konnten. Da es den restlichen Tag auch noch weiter regnete und wir nach mehreren Stunden auf dem Sattel wirklich genug hatten, entschieden wir, in eine Mescidi zu gehen. Das ist wie eine kleine Moschee (Kapelle) wo Muslime ihre Gebete nachholen können, wenn keine Moschee in der Nähe ist. Uns wurde mehrfach gesagt, dass es okay sei, in so einem Fall in einer Moschee oder Mescidi zu übernachten, wenn man sich zuvor wäscht, in der Moschee wirklich nur schläft und die Füße dabei nicht Richtung Mekka streckt.
Am nächsten Tag hatte es dann sogar wie erwartet geschneit. Der Regen dauerte an, aber dadurch, dass die Temperatur über Nacht gefallen war, waren die Berghänge weiß. Unser Weg führte stetig bergan und einige Zeit später kamen wir dann noch durch ein kleines Dorf, wo wir von einem Polizisten zu sich nach Hause eingeladen wurden und Chai sowie frisches Gözleme bekamen. Als er sah, dass ich keine Mütze habe, ich hatte meine ein paar Tage zuvor verloren, schenkte er mir sogar eine von ihm. Gut gestärkt und mit warmer Mütze zeigte er uns noch den richtigen Weg, da der, den wir geplant hatten, wohl mit dem Fahrrad nur schlecht befahrbar war. Also ging es von dort weiter bergauf und so langsam verwandelte sich der Regen auch immer mehr in Schnee. Oben auf dem Pass auf 1720m war dann endgültig alles weiß.
Kaum fuhren wir von dort wieder bergab, kamen wir aus den Wolken heraus und hatten traumhafte Sicht auf das Tal. Wir fuhren weiter bergab, bis es dunkel wurde, denn wir wollten Camardi erreichen, da wir dort bei einem Warmshowers Host schlafen konnten. Dort gönnten wir uns gleich zwei heiße Chorbas.
In der Früh des nächsten Tages ließ sich Pete noch für 20tl, also bisschen mehr als einem Euro, seine Winterschuhe reparieren, da die von einem Hund angeknabbert waren.
An diesem Tag hätte das Wetter nicht besser sein können, denn wir fuhren durch die Aladağlar Berge und mit Sonne war das einfach der Wahnsinn! Am Weg sahen wir immer wieder riesige Berge von Äpfeln, die vermutlich kurz vor dem ersten Frost geerntet wurden. Bevor wir am nächsten Tag losfuhren, machten wir nicht weit von unserem Schlafplatz ein kleines Fotoshooting, um die spektakuläre Kulisse auszunutzen.
Nach weiteren wenigen Kilometern versperrte uns eine Baustelle den Weg. Da der Umweg aber recht weit bergauf ging, versuchten wir mit den Rädern an der Baustelle vorbeizukommen. Die Arbeiter meinten, dass es nicht möglich sei, luden uns aber erst Mal zum Chai und dann auch gleich zum Essen ein. Ich bin immer wieder verblüfft, wie selbstverständlich die Gastfreundschaft hier ist. Auf der Umleitung kamen wir dann durch ein kleines Bergdorf, in dem es unfassbar viele Hunde gab. Zählen machte keinen Sinn, es waren sicher über 100 Hunde.
Dort bemerkte ich zufällig, dass bei meinem hinteren Ritzel 2 Zähne fehlten. Das ist natürlich suboptimal, aber da ich kein Ersatzritzel dabeihatte, konnte ich ohnehin nichts ändern.
Mittlerweile war es abends so kalt, dass es echt ungemütlich war, länger als nötig noch draußen zu sitzen und zu reden, weshalb wir uns immer öfter am Abend auch ein Lagerfeuer anzündeten. Das spendete Wärme und wir konnten uns so unsere Paprikas grillen oder mit etwas Zimt einen Bratapfel machen, um wenigstens ein bisschen das Gefühl von Advent und Weinachten zu bekommen.
Als wir von diesem schönen Schlafplatz aufbrechen wollten, musste ich im Stehen treten, um mehr Kraft in die Pedale zu bekommen. Ich wollte mein Fahrrad sehr steil auf einen unbefestigten Weg am Rand bekommen. Dabei krachte es drei Mal sehr laut und weitere 3 Zähne meines hinteren Ritzels waren weg, die Kette war anscheinend über die Zähne gehüpft und hatte diese „abrasiert“.
Da ich keine Ahnung hatte, ob ich mit diesem Ritzel die nächsten 100km bis in die nächste größere Stadt Adana kommen würde, wollte ich wenigstens alles versuchen, um die Situation zu retten. Darum entfernte ich bei meiner Kette ein Kettenglied, damit diese wieder straff um das Ritzel gezogen wurde. Der weitere Weg verlief dann auch insgesamt bergab recht reibungslos und in der flachen Ebene vor Adana wurde es dann auch spürbar wärmer. Am Straßenrand wuchsen nur noch Zitrusfrüchte und so mussten wir uns in kleinen Pausen die ein oder andere gönnen.
In Adana konnten wir wieder bei einem Warmshowers-Host in einer Art Garage schlafen. Da der Gastgeber der Präsident des Fahrradclubs in Adana war, konnte er mich an Meister Murat vermitteln. Murat war 40 Jahre lang Mechaniker für das türkische Olympia Team und so vertraute ich ihm mein Fahrrad gerne an. Repariert wurde aber erst nach einem gemeinsamen Frühstück in der Werkstatt.
Man merkte sofort, dass er etwas von seinem Handwerk verstand, denn ohne ein passendes Ritzel auf Lager zu haben, montierte er mir ein Ritzel aus einer neuen Kassette, das er mit verschiedenen Beilagscheiben in die richtige Position brachte. Er meinte, dass dies keine langfristige Lösung sei, aber für die 600 km bis nach Mardin von wo aus ich fliegen wollte, sollte es auf jeden Fall halten. Danach bog er noch meinen Fahrradständer zurück, befestigte ihn ordentlich am Rahmen und er reparierte meine Bremsen, die etwas Öl an einem Bremshebel verloren. Auch hier der Hinweis, dass ich damit bis Mardin komme, aber danach sollte ich den Bremshebel austauschen. Auch Pete ließ sich noch ein kleines Ritzel einbauen und seine Lampe löten, so dass Murat über mehrere Stunden mit unseren Rädern beschäftigt war. Für seine Arbeit nahm dann gerade mal 30 Euro, inkl. Material.
In Adana aßen wir selbstverständlich noch einen Adana Kebab und gingen uns anschließend in einem Hammam wieder richtig sauber waschen. Von einem anderen Murat, einem Friseur, ließen wir uns noch die Haare und den Bart trimmen und drehten mit ihm ein kleines Werbevideo für seine Instaseite. Der Nachbar von dem Friseur war ein ausgewanderter Kubaner, der mir noch seine Waage lieh, sodass ich endlich mein Fahrrad wiegen konnte, um die richtige Menge Gepäck für den anstehenden Flug hinzuzubuchen.
Mit reparierten Fahrrädern, gewaschen und gepflegt, wollten wir noch auf dem Weg aus der Stadt in die riesige Moschee. Dort meditierten wir für einige Zeit und als wir nach Sonnenuntergang wieder herauskamen, war es schon komplett dunkel.
Zurück bei den Rädern bemerkten wir, dass die Lenkertaschen aufgeschnitten waren und wir „geplündert“ worden waren. Pete fehlte seine Fahrradpumpe und seine GoPro, mit fehlten ein Multi-Ladegerät und 2 große Powerbanks.
Na super!
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